Rückblick auf den Innenarchitektur-Summit 2025 in Berlin: Warum Umbaukultur unsere Zukunft ist
- johannarybak

- 25. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Der erste Innenarchitektur-Summit des bdia in Berlin hat eindrucksvoll gezeigt, wie kraftvoll unser Berufsstand sein kann, wenn Expertise, Haltung und gemeinsames Lernen aufeinandertreffen. Drei Tage lang war Berlin der Treffpunkt für Innenarchitekt:innen aus ganz Deutschland – Kolleg:innen aus kleinen und großen Büros, bekannte Namen und junge Planer:innen, Menschen aus Forschung, Politik und Praxis. Die Stimmung war geprägt von Offenheit, Wärme und echtem Miteinander. Es fühlte sich weniger wie eine klassische Fachkonferenz an – eher wie ein inspirierendes Wiedersehen unter Menschen, die dieselben Werte teilen und dieselben Fragen bewegen.
Für mich war dieses Wochenende besonders intensiv, denn gemeinsam mit Franziska Ratsch von Concular durfte ich Impulse zum Thema zirkuläres Bauen im Innenraum setzen und mit den Teilnehmenden darüber diskutieren, wie wir die Transformation in unseren Büros tatsächlich verankern können. Die Resonanz war überwältigend: Die Bereitschaft, Routinen zu hinterfragen, eigene Prozesse kritisch zu betrachten und Zirkularität als neues Normal zu denken, war spürbar. Dabei ging es nicht um theoretische Debatten, sondern um ein tiefes Verständnis dafür, dass die Zukunft des Bauens im Bestand liegt – und damit im Kern in der Innenarchitektur.
Besonders präsent war an vielen Stellen die Frage nach Imperfektion. Wir sprachen darüber, wie sehr sich die gesellschaftliche Erwartung an Ästhetik verändert. Die Sehnsucht nach makellosen Oberflächen, perfekten Linien und absoluter Neuwertigkeit verliert an Bedeutung. Stattdessen wird Imperfektion zu einem Qualitätsmerkmal: zu einem sichtbaren Zeichen von Transformation, von Geschichte, von Kreativität. Räume dürfen Spuren tragen. Sie müssen nicht perfekt sein – sie müssen offen bleiben für Aneignung, Wandel und Weiterentwicklung. Perfektion schließt ab, Umbau hält offen. Vielleicht liegt genau in dieser Haltung die eigentliche Definition von Nachhaltigkeit.
Gleichzeitig wurde sehr deutlich, dass Umbaukultur viel mehr ist als eine planerische Entscheidung. Sie ist ein gesellschaftliches und zunehmend politisches Thema. Es reicht nicht, Materialien wiederzuverwenden oder Bauteile neu zu interpretieren. Umbaukultur bedeutet, den Bestand als Ressource zu verstehen – als etwas Wertvolles, Identitätsstiftendes, Zukunftsfähiges. Solange Bauordnungen Abriss belohnen, Genehmigungsprozesse Umbau erschweren und Leerstände als Altlast statt als Potenzial gesehen werden, bleibt die Umsetzung schwierig. Doch genau hier liegt unsere Verantwortung als Innenarchitekt:innen: Potenziale sichtbar machen, Kund:innen aufklären, Nutzungsexperimente zulassen, mutig neue Wege vormachen.
Der Summit hat eindrucksvoll gezeigt, dass wir als Berufsstand dafür gut aufgestellt sind. Wir können präzise planen, Materialien zirkulär denken, kurze agile Prozesse gestalten und Geschichten im Raum erzählen. Wir können vorhandene Strukturen weiterdenken und daraus Innenräume schaffen, die ökologische Verantwortung, ästhetische Qualität und funktionale Logik verbinden. Und wir können – vielleicht wichtiger als je zuvor – Menschen mitnehmen auf diese Reise. Denn Zirkularität funktioniert nur, wenn sie verstanden und getragen wird.
Besonders bestärkt hat mich der spürbare Zusammenhalt innerhalb unseres Berufsstandes. In einer Zeit, in der die Herausforderungen groß sind – Klimakrise, Ressourcenknappheit, steigender politischer Druck – waren die Tage in Berlin geprägt von gegenseitiger Unterstützung statt Konkurrenz. Zusammenarbeit stand klar über Wettbewerb. Dieser Spirit macht mich zuversichtlich: Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit. Und genau daran arbeiten wir – gemeinsam.
Mein persönliches Fazit: Die Zukunft der Innenarchitektur liegt nicht in perfekten Neuanfängen, sondern in mutigen Weiterentwicklungen. In einer Umbaukultur, die Imperfektion als Chance versteht. In Räumen, die Geschichten tragen, Ressourcen schützen und gesellschaftlichen Wandel ermöglichen. Berlin hat gezeigt, dass wir bereit sind für diesen Weg.
Ein herzliches Dankeschön an die Geschäftsstelle des bdia und alle Organisator:innen, die dieses beeindruckende Event möglich gemacht haben. Der nächste Summit ist bereits in Planung – und ich freue mich jetzt schon auf das Wiedersehen, auf die Gespräche, auf die gemeinsame Arbeit an einer zirkulären Zukunft des Bauens.



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